1.5 Herausforderungen bei der Pflege durch Angehörige
Zwar unterscheidet sich jede Pflegesituation voneinander, trotzdem gibt es einige Faktoren, welche in unserer Erfahrung die familiäre Pflege zu Hause über kurz oder lang stark belasten – oder sogar unmöglich machen.
Besonders häufig verändert sich beispielsweise die Beziehung zwischen Pflegebedürftigen und Angehörigen durch die häusliche Betreuung. So können sich manche Rollen zwischen Kindern und Eltern umkehren, oder die Balance zwischen Partnern wird verschoben. Aufgrund der emotionalen Nähe fällt es zudem schwer, Abstand zu nehmen oder die eigenen Ansprüche herunterzuschrauben – eigene Pläne und Wünsche werden daher häufig zurückgestellt oder aufgeschoben. Nicht selten stellt sich deswegen auch eine körperliche und seelische Überforderung ein. Eine vielbeachtete Untersuchung fand im Herbst 2018 heraus, dass 10 % der Pflegenden sich dermaßen überlastet fühlen, dass sie kurz davor sind, die Pflege aufzugeben, und nur jeder achte Pflegende ist mit der gegenwärtigen Situation zufrieden.
Eine solche Dauerüberforderung entsteht auch deshalb, weil pflegende Angehörige oftmals noch in anderen Verantwortungsbereichen stehen, um die sie sich kümmern müssen: Sei es die eigene Partnerschaft, die Erziehung der eigenen Kinder oder die persönliche Berufstätigkeit. Die oftmals schon knappen zeitlichen Ressourcen lassen so kaum Spielraum für eine Pflege, wie sie den eigenen Ansprüchen für die geliebte Person entsprechen würde.
Zudem verändert der gesellschaftliche Wandel auch die klassischen Familien- und Pflegestrukturen: Viele erwachsene Kinder wohnen nicht mehr in der Nähe ihrer Eltern und können deshalb nur selten vor Ort sein. Zudem sind Frauen, welche nach wie vor einen Großteil der häuslichen Pflege übernehmen, immer öfter einer Doppelbelastung (Job und Familie) ausgesetzt, die in der Form vor Jahrzehnten noch nicht existierte.
Sehr schnell liegt der Gedanke nahe, seine Eltern sprichwörtlich „nicht ins Altenheim abschieben“ zu wollen – aber eben auch nicht alles allein zu stemmen. Sind durch einen stetig gestiegenen Pflegebedarf die Grenzen der eigenen Zumutbarkeit und der ambulanten Pflege erreicht, stellt sich oftmals die Einbindung einer Haushalts- und Betreuungskraft als Ideallösung heraus. Diesen Grad der Entlastung der 24-Stunden-Pflege – bei gleichzeitig ausgedehnter Zeit für die individuelle Zuwendung – leistet keine andere Betreuungsform! Deshalb sprechen wir in diesem Zusammenhang gern von der wohl individuellsten Pflegeform oder auch von der „Pflege mit Herz“.